Echo des Todes by Renk Ulrike
Autor:Renk, Ulrike
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau Digital
veröffentlicht: 2013-01-01T05:00:00+00:00
Kapitel 33
Irgendwann ging ich zu Bett. Martin räumte die Küche auf, machte die Abendrunde mit dem Hund.
Als er wiederkam, war ich gerade eingeschlafen. Ich fuhr hoch, weil er unter meine Decke kroch.
»Keine Angst, ich bin es, Conny.«
Ich atmete tief ein.
»War noch irgendetwas? Oder hat dich nur die Sache mit Stephanie beschäftigt?«
»Es war schon ein Schlag. Wenn sie das Kind bekommt und behält, wird sie vielleicht die Praxis aufgeben. Was wird dann aus mir?«
»Was wäre, wenn du schwanger wärst? Was würdest du dann machen? Darüber haben wir uns nie unterhalten. Würdest du weiter arbeiten wollen?«
Ich überlegte. »Darüber nachgedacht habe ich natürlich. Ich hab wesentlich weniger Termine als Stephanie. Ich habe keine Laufkundschaft, ich kann meine Termine so legen, wie ich will, meistens zumindest. Ich würde mir eine Kinderfrau organisieren und weiterarbeiten, ja. Allerdings weniger.«
»Noch weniger?« Martin lachte.
»Es reicht, so wie es ist, Martin. Es reicht finanziell und auch sonst. Ja, ich nehme im Moment wenig Patienten an. Wenn ich ein oder zwei Gutachten im Monat mache, habe ich das Geld wieder raus.«
Martin hatte meinen Rücken gestreichelt, nun drehte er sich um, starrte an die Decke. »Diese Gutachten bringen Geld, aber eigentlich brauchen wir das nicht.«
Ich drehte mich zu ihm. »Wie meinst du das?« Ich wusste, was er meinte, fragte trotzdem.
»Du bringst dich in Gefahr.«
»Nein. Theißen ist eine Ausnahme.«
»Und die Sache im Gefängnis?« Er fuhr mit dem Finger ganz sachte über die Narbe an meinem Hals. Ich zuckte zusammen, stand auf.
»Conny, wo willst du hin?«
»Nur nachschauen, ob die Fenster und Türen geschlossen sind.«
»Hast du plötzlich Angst vor Zug?« Seine Stimme klang deprimiert.
»Es ist nicht normal. Du fürchtest dich.« Martin lag auf dem Rücken, die Hände auf der Brust gefaltet, als ich zurück ins Bett kroch. Er sah aus wie ein Toter.
»Ja, ich gebe zu, ich habe Angst. Angst vor Theißen.«
»Bromkes macht sich Sorgen.«
Ich setzte mich im Bett auf. »Bist du deshalb heute Abend hier? Hat Werner dich angerufen?«
»Und wenn?«
»Du machst dir Sorgen um meinen Geisteszustand.«
»Conny, egal, was war, noch nie hast du dich gefürchtet. Etwas ist jetzt anders.«
»Noch nie ist jemand in mein Privatleben eingedrungen, Martin. Das ist anders. Aber dies ist ein Bett und keine Couch. Du bist Rechtsmediziner und kein Analytiker. Also lass es. Versuch nicht, mich zu analysieren.«
»Warum? Würde ich schreckliche Erkenntnisse erlangen? Ach verdammt, Conny. Lass uns nicht streiten. Ich liebe dich, und ich habe auch Angst.«
Ich wandte mich zu ihm, nahm ihn in den Arm. »Es tut mir leid. Es wird vorbeigehen. Ganz sicher. Lass uns nie aufhören zu reden. Reden ist wichtig.«
Als Antwort kam ein trockenes Lachen.
»Martin?«
Er drehte sich um, den Rücken zu mir. »Lass uns schlafen.«
»Schlafen?«
»Ja. Alles ist gut. Gute Nacht.«
»Ich werde das glauben«, antwortete ich und merkte, dass mein Mund trocken war. »Ich werde das glauben in Anbetracht der Alternative.«
Ich schlief überraschend schnell ein. Mitten in der Nacht wurde ich wach. Einen Moment überlegte ich, wo ich war und wer dort neben mir atmete. Ich war nicht in Hechelscheid, ich war in Aachen. Es war zwei Uhr nachts und Donnerstag. Heute Nachmittag würde ich in die Eifel fahren und mich mit dem Handwerker treffen.
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